Diskussion um Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers: Braucht Österreich eine neue Verfassungsregelung?
In der politischen Landschaft Österreichs sorgte Sebastian Kurz im Jahr 2017 für Aufsehen, als er eine Richtlinienkompetenz für das Bundeskanzleramt forderte. Ähnlich wie in Deutschland wollte er als Parteichef der ÖVP mehr Machtbefugnisse gegenüber den Ministern erhalten. Diese Idee stieß jedoch auf Widerstand und wurde letztendlich fallengelassen, da Kurz nicht die notwendige Mehrheit im Parlament dafür bekommen konnte. Interessanterweise hatten auch frühere SPÖ-Kanzler wie Werner Faymann und Alfred Gusenbauer ähnliche Pläne, aber die ÖVP hatte sich damals dagegen positioniert.
Seitdem hat sich keine prominente politische Figur mehr für die Richtlinienkompetenz eingesetzt. Doch angesichts der jüngsten Ereignisse rund um das EU-Renaturierungsgesetz, bei dem es zu einem peinlichen Auftritt Österreichs in Brüssel kam, ist es an der Zeit, erneut über diese Thematik zu diskutieren. Ein klarer und gemeinsamer politischer Kurs ist von entscheidender Bedeutung, um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden.
Die Richtlinienkompetenz würde dem Bundeskanzler eine Sonderstellung einräumen, die in der aktuellen Verfassung nicht vorgesehen ist. Es geht nicht um ein Eingreifen in die Kompetenzen der Minister, sondern um die Festlegung grundlegender Richtlinien der Regierungspolitik. In Deutschland wurde die Richtlinienkompetenz bisher kaum angewendet, aber vor allem in schwierigen Koalitionssituationen kann sie sich als nützlich erweisen.
Die Diskussion über die Stärkung der Rolle des Bundeskanzlers und die Einführung einer Richtlinienkompetenz sollte daher erneut aufgegriffen werden. Angesichts möglicher zukünftiger Dreier-Koalitionen in Österreich könnte eine klare Führung und Abstimmung innerhalb der Regierung wichtiger denn je sein. Es bleibt abzuwarten, ob nach der nächsten Nationalratswahl neue Impulse in diese Richtung gesetzt werden.